Ivarr laß ihr von den Schmerzen vor, die die kleine Meerjungfrau ertrug, nur um den Prinzen zu gefallen. Jeder Schritt, den sie tat, war, als trete sie auf spitze Nadeln und scharfe Messer, wie die Hexe ihr vorausgesagt hatte, aber das ertrug sie gern. [...] Alle waren entzückt davon, besonders der Prinz, der sie sein kleines Findelkind nannte; und sie tanzte mehr und mehr, obwohl es jedes Mal, wenn ihr Fuß die Erde berührte, war, als ob sie auf scharfe Messer träte.
Das Mädel war sogar wirklich dumm. Sie hat den Prinzen gerettet und jetzt tut er so als erkennte er sie gar nicht wieder. Mag sie, aber wie eine Tochter und würde sie nie als Frau nehmen. Schlimmer noch, er hat eine andere an der Backe! Nein, eigentlich gefiel das Asra gut das die blöde Kuh leidet. Sie lachte laut auf, als der Prinz dann noch dachte die andere Tussi war die, die ihn gerettet hat! Sind alle deppen in dem Buch?
Der Prinz verlobte sich und die Meerjungfrau musste dafür tanzen.
Die kleine Seejungfrau musste daran denken, wie sie das erste Mal aus dem Meere auftauchte und die gleiche Pracht und Freude sah; und sie wirbelte mit im Tanz, schwebte, wie die Schwalbe schwebt, wenn sie verfolgt wird; und alle jubelten ihr vor Bewunderung zu, nie hatte sie so herrlich getanzt. Es schnitt wie scharfe Messer in die zarten Füße, aber sie fühlte es nicht, es schnitt ihr noch schmerzlicher durch das Herz.
Ihre Schwester aus dem Meer waren Schlauer, sie hatten so gar eine intriege!
"Wir haben sie der Hexe gegeben, damit sie Hilfe bringe und du diese Nacht nicht sterben musst! Sie hat uns ein Messer gegeben, hier ist es! Siehst du, wie scharf es ist? Bevor die Sonne aufgeht, musst du es in das Herz des Prinzen stechen, und wenn sein warmes Blut deine Füße bespritzt, dann wachsen sie zu einem Fischschwanz zusammen und du wirst wieder eine Seejungfrau, kannst zu uns ins Wasser hinabsteigen und lebst deine dreihundert Jahre, bevor du zum toten salzigen Seeschaum wirst. Beeile dich! Er oder du musst sterben, bevor die Sonne aufgeht! Unsere alte Großmutter trauert so, dass ihr weißes Haar gefallen ist wie das unsrige unter der Schere der Hexe. Töte den Prinzen und komm zurück! Beeile dich! Siehst du den roten Streifen am Himmel? In wenigen Minuten steigt die Sonne auf, und dann musst du sterben!" Und sie stießen einen seltsam tiefen Seufzer aus und versanken in den Wogen. Die kleine Seejungfrau zog den Purpurteppich vom Zelte fort und sah die schöne Braut mit ihrem Haupte an des Prinzen Brust ruhen, und sie bog sich nieder, küsste ihn auf seine schöne Stirn, sah zum Himmel auf, wo die Morgenröte mehr und mehr leuchtete, sah auf das scharfe Messer und heftete die Augen wieder auf den Prinzen, der im Traume seine Braut bei Namen nannte. Nur sie war in seinen Gedanken, und das Messer zitterte in der Hand der Seejungfrau. Aber da warf sie es weit hinaus in die Wogen; sie leuchteten rot, wo es hinfiel, es sah aus, als quollen Blutstropfen aus dem Wasser auf. Noch einmal sah sie mit halbgebrochenem Blick auf den Prinzen, stürzte sich vom Schiffe in das Meer hinab und fühlte, wie ihr Körper sich in Schaum auflöste.
Asra regte sich wieder auf und Ivarr musste dabei immer zu schmunzeln und wartete ehe Asra fertig war sich über diese blinde Verliebtheit aufzuregen.
"Fertig?!" rief sie laut auf und Ivarr zögerte. "Fast."
"Sag nicht jetzt kommt der Jäger und rettet sie!" zischte Asra und Ivarr hob die Schultern und gab sich ahnunglos.
Die Meerjungfrau wurde zu einer Tochter der Luft. Die Töchter der Luft haben auch keine unsterbliche Seele, aber sie können sich selbst durch gute Taten eine unsterbliche Seele schaffen. Wir fliegen nach den warmen Ländern, wo die schwüle Pestluft die Menschen tötet, dort fächeln wir Kühlung. Wir breiten den Duft der Blumen durch die Luft aus und senden Erquickung und Heilung. [...]
Unsichtbar küsste die Meerjungfrau die Stirn der Braut, lächelte dem Prinzen zu und stieg mit den anderen Kindern der Luft zu der rosenroten Wolke hinauf, welche die Luft durchsegelte. "Nach dreihundert Jahren schweben wir so in das Reich Gottes hinein!" "Auch früher können wir dahin kommen!" flüsterte eine Tochter der Luft. "Unsichtbar schweben wir in die Häuser der Menschen hinein, wo Kinder sind, und für jeden Tag, an dem wir ein gutes Kind finden, das seinen Eltern Freude macht und deren Liebe verdient, verkürzt Gott unsere Prüfungszeit. Das Kind weiß nicht, wann wir durch die Stube fliegen, und wenn wir vor Freude darüber lächeln, so wird ein Jahr von den dreihundert abgerechnet. Sehen wir aber ein unartiges und böses Kind, so müssen wir Tränen der Trauer weinen, und jede Träne legt unserer Prüfungszeit einen Tag zu."
Dann klappte Ivarr das Buch zu und Asra. In der ferne sah er schon die Stadt die in der Dunkelheit leuchtete, heller als die Sterne.
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